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Coming-out als schwul, lesbisch oder bi - Herausforderung und Zwang? | Quellen: ADS, BZgA, Regenbogenportal

Verliebtsein ist etwas Großartiges: Es kribbelt im Bauch, du fühlst dich magnetisch zu einem anderen Menschen hingezogen und willst immer in ihrer oder seiner Nähe sein. Das ist bei Heterosexuellen, Schwulen, Lesben und Bisexuellen vollkommen gleich. Doch spätestens mit dem ersten Verliebtsein beginnt für viele Schwule, Lesben und Bisexuelle oft auch eine Zeit großer Fragen und Unsicherheiten: Sie stecken mitten im Coming-out


Der Begriff Coming-out bezeichnet einerseits den Zeitpunkt, an dem sich eine homo- oder bisexuelle Person über ihre eigene sexuelle Identität bewusst wird. Andererseits bezeichnet Coming-out auch den Moment, wenn man das erste Mal zum Beispiel mit Familienmitgliedern oder Freund:innen offen über die eigene sexuelle Orientierung spricht. Für viele Menschen stellt das Coming-out eine große Hürde dar, denn es gibt immer noch viele Vorurteile und Abwertungen gegenüber Homo- und Bisexualität. Das Coming-out ist für viele Menschen deshalb ein lebenslanger Prozess, in dem sie sich immer wieder mit Situationen konfrontiert sehen, in denen sie wegen ihrer sexuellen Identität subtile oder offene Ablehnung erfahren. Der Begriff Coming-out wird zum Beispiel auch für transgeschlechtliche Personen verwendet, die sich ihrer tatsächlichen Geschlechtsidentität bewusst werden.

    




Wie erzähle ich anderen, dass ich nicht heterosexuell bin? Muss ich mich überhaupt outen? Ein_e Freund_in möchte sich outen – wie kann ich sie_ihn unterstützen?


Herausforderung Coming-out

Das Coming-out ist ein wichtiger Prozess im Leben vieler Schwuler, Lesben und Bisexueller. Dabei unterscheidet man im Allgemeinen zwei Phasen: 

Beim inneren Coming-out setzt man sich sehr stark mit seiner eigenen sexuellen Orientierung auseinander. Am Ende dieses Prozesses hat man ein Bild davon, zu welchem Geschlecht man sich (auch) hingezogen fühlt. Bei jungen Menschen geschieht dies meist zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr; oft hat das innere Coming-out aber auch schon Jahre vorher begonnen. 


Beim äußeren Coming-out spricht man mit anderen Menschen über die eigene sexuelle Orientierung. Einige Menschen gehen sehr offen damit um, andere outen sich nur bei bestimmten Personen, und wieder andere verzichten ganz auf ein äußeres Coming-out. Das ist immer eine individuelle Entscheidung! 

Der Begriff Coming-out wird nur ganz selten für Heterosexuelle verwendet. Aber auch wenn du aufs andere Geschlecht stehst, bist du dir irgendwann deiner sexuellen Orientierung bewusst geworden und hast gemerkt, was und wer dich anzieht. Auch dieser Prozess ist nicht immer leicht ...


Ein Coming-out kann Monate oder sogar Jahre dauern und ist oft keine einfache Zeit. Wahrscheinlich erinnert sich jeder Mensch, der das durchlebt hat, an Selbstzweifel und Sorgen. Doch auch diese gehen vorbei. Und auf der anderen Seite ist das Coming-out auch eine Zeit, in der man Selbstvertrauen gewinnen und seine eigenen Wünsche besser kennenlernen kann. 

Selbst wenn Heterosexuelle in aller Regel kein Coming-out haben - sie können ihre Freund:innen dabei unterstützen. Viele Schwule, Lesben und Bisexuelle outen sich zuerst bei Menschen, die mit Sicherheit positiv reagieren. Als gute Freundin oder guter Freund kann man deshalb eine wichtige Hilfe sein. Doch auch wenn man andere beim Coming-out unterstützen möchte: Über den Zeitraum des Coming-outs sollten sie selbstbestimmt entscheiden. Deshalb ist es wichtig, Menschen bei ihrem Coming-out nicht unter Druck zu setzen oder sie sogar ohne ihr Einverständnis vor anderen zu outen. 




Was spricht dafür, sich zu outen?⁽²⁾

Für manche ist es der richtige Weg, weil sie so in alltäglichen Gesprächen offen über ihre Gefühle und ihr Begehren sprechen können. Anderen ist es wichtig, nicht-heterosexuelle Orientierungen sichtbar zu machen. Dich als queerhomo-, bi- oder pansexuell zu outen, eröffnet dir auch die Möglichkeit, Menschen mit ähnlichen sexuellen Orientierungen zu begegnen.

Aber: Niemand muss sich outen. Tu das, womit du dich in deinem Umfeld wohlfühlst.


Warum nicht alle LSBTIQ ein Comingout haben⁽¹⁾

Es wird als selbstverständlich angesehen: LSBTIQ brauchen ein Comingout. Die gesamte Community richtet sich darauf aus – und auch die Förder- und Beratungsstrukturen. Aber ist ein Comingout wirklich das Maß aller Dinge? 

Die Vorstellung, dass LSBTIQ ein Comingout haben und davon erzählen können oder gar müssen, ist in der Gesellschaft oft anzutreffen. Das Comingout gehört zum Standardrepertoire des Gesprächs zwischen LSBTIQ, aber auch zwischen LSBTIQ und Freund_innen, Familienmitgliedern und Kolleg_innen. Es wird angenommen, dass ein Comingout der Überwindung von Angst, Diskriminierung und Gewalt dient. Nach dieser Erzählung ist die Identität erst nach einem Comingout gefestigt – und verändert sich dann auch nicht mehr. Aber dies trifft nicht immer und nicht auf alle zu. 

Manche Menschen fürchten das Risiko, Ablehnung oder Ausgrenzung zu erfahren. Andere finden, dass die sexuelle Orientierung nicht in allen Kontexten wichtig ist.⁽²⁾ 


Brauchen alle ein Comingout?⁽¹⁾ 

Für viele Menschen entspricht die lineare Entwicklung zur lsbtiq Person mit Comingout – und mit der damit einhergehenden Identität – nicht ihrer Lebensrealität. Dafür gibt es verschiedene Gründe. 

Zahlreiche cis LesbenSchwule und Bisexuelle müssen sich, anders als viele trans*Menschen, gar nicht unbedingt öffentlich outen. Einige ziehen es deswegen vor, dies nicht oder nur sehr selektiv zu tun. Manche nicht-heterosexuelle Menschen wiederum können sich mit LSBTIQ-Identitätskategorien nicht identifizieren, weil sie sie für sich unpassend, limitierend oder ausschließend finden. Und andere haben zwar ab und zu gleichgeschlechtliche sexuelle oder romantische Kontakte, sehen dies aber nicht als (wichtigen) Teil ihrer Identität an, der speziell benannt werden müsste.

Manche Menschen müssen oder wollen auch andere Prioritäten setzen als die eigene sexuelle und/oder geschlechtliche Identität. Etwa weil das (noch mehr) Gefahr und/oder zusätzliche Diskriminierung bedeuten würde, die sie sich nicht leisten können. Oder weil einigen Menschen aufgrund noch existentiellerer alltäglicher Herausforderungen und Sorgen kein Raum bleibt, sich überhaupt mit ihrer Identität auseinanderzusetzen, passende Begriffe zu finden und sich Communitys anzuschließen.

Gründe dafür können sein, dass sie mit Beeinträchtigungen leben, eine (familiäre) Flucht- oder andere Migrationsgeschichte haben – oder dass die religiöse Zugehörigkeit, das Alter, die regionale Herkunft, eine chronische Krankheit, die finanzielle Situation, eine Wohnungslosigkeit, ein allein erzogenes Kind oder andere Umstände für sie dringlicher sind. Denn viele dieser Aspekte bringen (gravierende) andere, zusätzliche, sich gegenseitig verstärkende Belastungen und Diskriminierungsrisiken mit sich.

Link: Einfalt in der Vielfalt? Vielfalt in der Vielfalt!


Weiterführende Materialien: 



(PJS)

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